Wir haben ja schon so einiges gesehen. Musical, Comedy, Konzerte, Tanz, nichts ist uns fremd. Wir sind sehr offen für verschiedene Genres, aber inzwischen auch etwas anspruchsvoller geworden. Nur, weil etwas als „gross“ und „weltbewegend“ angekündigt wird, heisst das nicht zwangsläufig, dass es uns gefallen muss.
Deshalb ist es besonders schön, wenn man sich einmal etwas „Kleineres“ ansieht und es sich dann wirklich als Juwel entpuppt. Ok, bei dieser speziellen Show waren wir uns sicher, dass es uns gefallen würde, aber gerade WENN man sich sehr auf etwas oder jemanden freut, kann es zu Enttäuschung führen, wenn die Erwartungen dann doch nicht erfüllt werden. Was, wenn dieses Duo, das uns bereits mit diversen YouTube-Videos zum Lachen und nachdenken gebracht hatte, live total langweilig gewesen wäre..?
Aber fertig mit „Was wäre gewesen, wenn“, widmen wir uns lieber WAS WÄRE WENN, denn genau so war der Titel dieses Liederabends, welchen wir am 3. Dezember im Trottentheater in Schaffhausen besucht haben.
„Wie lang goht die Show?“ – „Vom 8i bis am halbi 11i stoht uf em Ticket…“ – „Zweiehalb Stund.?? Isch denn d’Pause so lang?“ – „Ich denk, es wird zwei Mol e Stund mit Pause dezwüsched si.“ – „Aber sie sind jo nur z’weite… Wie vill Lieder spiled’s denn..?“ – „Ich nimm a, sie redet au no chli dezwüsched…“
Ungefähr so war der Dialog, den wir kurz vor der Show führten. Keine Ahnung, woher plötzlich die Idee kam, es sei für zwei Künstler nicht möglich, zwei Stunden zu füllen. Aber so viel vorweg: Es war uns keine Sekunde langweilig und von uns aus hätten es gerne auch vier Stunden dauern können.
Es zeigt aber auch relativ deutlich, dass wir nicht wirklich viel Erfahrung mit „Kleinkunst“, in welche Schublade, diese Art von Show in der Regel gesteckt wird, haben. Unser Ding war lange Zeit ausschliesslich Musical und auch hier haben wir uns mehr auf deutsche, oder britische Tour-Produktionen konzentriert. Und dies bereuen wir jetzt ziemlich, da die Schweiz (oder wollen wir direkt Roman Riklin sagen?) auch schon in der Vergangenheit jede Menge toller Stücke auf die Bühne gebracht hat, die wir verpasst haben, wie „Ewigi Liebi“ ,“Emil und die Detektive“ oder „Ost Side Story“.
Aber sowas wie WAS WÄRE WENN, hatten wir wirklich noch nie gesehen. Auf YouTube hatten wir natürlich die ganzen verfügbaren Videos angeschaut und uns köstlich amüsiert. Und ja, der Hauptgrund für den Ticketkauf, war, dass es sich bei einem Teil des Duos um Roman Riklin, den wir so gerne mal live sehen wollten, handelte.
Roman Riklin und Daniel Schaub
Die beiden Vollblut-Musiker und Multi-Instrumentalisten stehen schon etwas länger zusammen auf der Bühne. Von 2004 bis 2019 absolvierten sie als 2/3 des Kleinkunst-Trios Heinz de Specht über 700 Auftritte. Mit dem 2017 gegründeten Secondhand Orchestra lassen die beiden Herren zusammen mit Adrian Stern, Fröleid Da Capo und Radiolegende FM François Mürner in der multimedialen Show „Freddie“ Mr. Mercury und seine unsterblichen Hits auf Schwiizerdütsch neu aufleben.
Dass die beiden ein eingespieltes Team sind, ist auch auf der Bühne zu spüren, zu sehen und zu hören. Selbstverständlich hat auch jeder selbst eine beachtliche Karriere vorzuweisen. Dass Roman Riklin der Tausendsassa der Schweizer Kultur-Szene ist, haben wir ja schon bei der einen oder anderen Gelegenheit erwähnt. (Siehe hier, hier, hier und hier 😉)

WAS WÄRE WENN – Ein Liederabend im Konjunktiv
Warum dieser Titel? Offenbar hatten Roman Riklin und Daniel Schaub nach der Trennung von Heinz de Specht noch nicht genug von einander und stellten sich die Frage:
WAS WÄRE, WENN sie zu zweit auf die Bühne zurückkehren würden?
Und ganz nebenbei wird auch geklärt,
„…WAS WÄRE, WENN die Musiker sich als Liebhaber von Katzenvideos outen, einen Indianertanz aufführen und als Tatort-Kommissare einen Mord aufklären würden…„
Ein bisschen verzögerte sich die Rückkehr auf die Bühne dann aber natürlich. Wie wir alle wissen steht das Jahr 2019 für den Beginn der Corona-Pandemie mit all seinen Restriktionen, die vor allem die Bühnenkünstler hart traf. Vielleicht war das aber sogar mit der Grund, warum Riklin & Schaub neue Wege suchten.
Dass Riklin & Schaub sich von der klassischen Klein- bzw. Liedermacherkunst wegbewegen und Neues wagen, kann man schon länger mitverfolgen. Einige Ihrer Lieder machen ohne Video gar keinen Sinn und sind m wahrsten Sinne des Wortes „Songs, die man sehen muss“. So z.B. der „Emoji-Song“, der ohne die dazugehörigen Emojis auf der Leinwand nicht funktionieren würde, oder auch „Jööh!“. Bei letzterem wird sogar eine ganze Video-Collage auf einer Leinwand abgespielt, die von den beiden Musikern gesanglich kommentiert wird. Auf diese Art entwickelt sich eine ganz neue Dynamik. Richtig professionell wird es dann in ihrem ganz eigenen „Tatort“-Clip.
Was die Geschichten angeht, die in diesem Programm erzählt werden, bleibt man ganz im Alltag. Es gibt Lieder über Tuben-Reste, den HotDog bei Ikea, Äpfel und Birnen oder die Gefahr, die von Blockflöte-Spielen ausgehen kann – und alles auf höchst intelligente und feinfühlige Art und Weise. Gerade bei Comedy kann es ja vorkommen, dass der Humor etwas zu weit ins Billige abdriftet, aber nicht hier. Sehr überraschend und berührend waren auch Lieder wie „Loch“ oder „Somalia“, wo man doch mal schlucken musste. Vielleicht, gerade weil so viele Songs in diesem Programm voller Leichtigkeit und Alltäglichkeiten daher kommen und man sich vertrauensvoll darauf einlässt und sich identifiziert, treffen diese beiden Lieder besonders tief. Auf seltsame Art und Weise ist man an diesen Stellen des Programms ein bisschen schutzlos. Wir hatten das Gefühl, dass die Betroffenheit im Publikum richtig spürbar war. Aber genau so soll es sein, denn, wenn diese Show etwas NICHT ist, dann oberflächlich.
In so einem kleinen, intimen Rahmen muss natürlich auch der direkte Kontakt zum Publikum hergestellt werden. Und ja, wir wissen, sehr viele fürchten sich ein bisschen davor, angesprochen zu werden. Ein kleiner Profi-Tipp: Falls ihr keine Lust habt, plötzlich im Rampenlicht zu stehen, dann wählt am besten Plätze in der 1. Reihe, da geschieht es praktisch nie, dass man ausgesucht wird, weil es zu offensichtlich wäre. 😉
Roman Riklin und Daniel Schaub schafften es, natürlich und locker mit dem Publikum zu kommunizieren und sie mit ein zu beziehen. Auch wenn selbstverständlich alles einstudiert war, wirkte es, als ob ihnen die Gags gerade erst eingefallen wären und auch der Dialog zwischen den beiden hatte etwas von liebevollen Foppereien zwischen guten, alten Freunden, alles sehr vertraut und ungekünstelt.
Ein Stück weiter ging es dann noh bei „Stilli“, einem Song über die peinliche Stille, die immer und überall entstehen kann. Hier wurde das Publikum und dessen Reaktion zum integralen Bestandteil.

Musik
Neben der Leinwand. die übrigens von den beiden Herren manuell hoch- und runtergelassen wurde, befanden sich auf der Bühne auch noch jede Menge Instrumente. Zu sehen und zu hören gab es: E-Gitarre, Cello, Wurlitzer-Piano, Mandoline, Melodika, Schlagzeug, Bass-Synthesizer und Suzuki Andes 25F (Ja, das musste ich googeln, um es wieder zu erkennen: Das ist eine Art Tasten-Blockflöte. Immer noch nicht klar, oder? Dann musst du es auch googeln). Und alle kamen zum Einsatz und teilweise auf so überraschende und zauberhafte Art und Weise.
Es ist ausserordentlich faszinierend jemandem zuzusehen, der so mühelos zwischen verschiedenen Instrumenten wechseln oder sogar mehrere gleichzeitig spielen kann. Wir empfanden wirklich tiefe Bewunderung, als wir Riklin & Schaub dabei zusahen. Schon ein Instrument zu beherrschen ist toll, aber das, was wir hier zu sehen und zu hören kriegten, war schon eine andere Liga. Wir glauben, uns zu erinnern, einmal gelesen zu haben, dass es kaum ein Tasten-, Saiten- oder Blasinstrument gibt, das Roman Riklin nicht spielen kann. Und auch bei Daniel Schaub wird es in eine ähnliche Richtung gehen.
Überhaupt ist uns die Musik sehr stark in Erinnerung geblieben. Lustige Texte kann man in der Regel auch mit sehr einfacher musikalischer Begleitung vermitteln und im Publikum für Lacher sorgen, aber die Vielfalt, die bei Riklin & Schaub geboten wird, ist schon aussergewöhnlich. „En HotDog für en Stutz“ ist in keinster Weise mit „Blockflöte zu vergleichen und dieses wiederum mit keinem anderen des ganzen Programms. Das Gefühl, das uns beim Intro von „Somalia“ überkam…, wir können es kaum beschreiben. Ich denke (oder hoffe), dass jeder Mensch hin und wieder von einer Melodie oder einem Arrangement ganz tief berührt wird, was eine besondere Saite in einem zum Klingen bringt. Und hier ist es passiert. Das sind ganz besonders wertvolle Momente.
Wahrscheinlich ist es diese Vielzahl an Talenten, die Riklin & Schaub mitbringen, die so ein Programm möglich machen. Es gibt Komponisten, die wunderbare Musik erschaffen, Geschichtenerzähler, die um die kleinesten alltäglichen Situation eine Geschichte spinnen können, Comedians, denen der Humor in die Wiege gelegt wurde, Texter, die mit Worten zaubern können, Musiker, die ihr Instrument komplett beherrschen, und Schauspieler und Sänger, die mit ihrer Stimme und ihrem Spiel alles, was andere erschaffen haben, dem Publikum übermitteln können. Und dann gibt es Multitalente wie Riklin & Schaub, wo alles aus einer Hand kommt. Und das spürt man einfach.

Wo kann man Roman Riklin und Daniel Schaub bewundern?
Wer bis jetzt dabei geblieben ist, hat bestimmt verstanden, dass wir komplett begeistert von diesem Liederabend und den beiden Künstlern sind. Auch möchten wir dieses Programm, welches noch Ende Jahr sowie im Frühling 2023 an diversen Orten zu sehen sein wird, empfehlen. Die genauen Daten findet ihr hier: https://www.riklinschaub.ch/
Des weiteren sind die beiden auch weiterhin mit dem preisgekrönten Secondhand Orchestra (sie haben an den Swiss Comedy Awards 2022 den „Ensemble Award“ abgeräumt) mit „Freddie“ unterwegs. Auch hier gibt es noch Tickets und es lohnt sich auf jeden Fall. Und auch wenn wir es kaum zugeben wollen: Wir haben unsere Prinzipien verraten und Tickets für die Zusatzvorstellung am 7. Januar 2023 bestellt, obwohl es nur noch welche in der 4. Reihe gab. Uns kostet sowas wirklich Überwindung, weil wir in der Regel nur Tickets kaufen, wenn wir in der 1. Reihe und ganz nahe am Geschehen sein können, aber schlimmer wäre es gewesen, wenn wir die Show ganz verpasst hätten. Manchmal muss man einfach Prioritäten setzen. Den aktuellen Tourplan findet ihr hier: https://www.secondhandorchestra.ch/
Und selbstverständlich lohnt sich auch ein Blick auf YouTube, da auch die Videoclips und Aufzeichnungen der beiden unglaublich Spass machen: https://www.youtube.com/@riklin_schaub
Hier schon mal der legendäre Katzenvideo-Song „Jööh!“, einer der „Songs, die man sehen muss“, der auch im Trottentheater jeden Tränen lachen liess.











Ein Kommentar