Am 17. September waren wir in der Maag Event Hall, um uns eine ganz spezielle Vorführung anzusehen: „Homage to Ballet – A Night with the Stars„. Und dieser Name war Programm.
Wer in der Deutschschweiz lebt, und keine Möglichkeit hat, einfach mal spontan nach Berlin, Paris oder London zu reisen, weiss, dass es nicht so einfach ist, eine qualitativ hochwertige Ballett-Gala zu sehen. Das schöne an Galas ist ja, dass es kein ganzes Ballett zu sehen gibt, sondern die Highlights aus verschiedenen Stücken, getanzt von verschiedenen bekannten Tänzern und Tänzerinnen. Natürlich ist es auch traumhaft, ein ganzes Ballett einer tollen Company zu sehen, aber so eine Gala hat halt ihren ganz eigenen Charme und ist für die Schweiz tatsächlich etwas ganz Neues.
Als ich vor wenigen Monaten das Programm von Maag durchschaute und auf „Homage to Ballet“ stiess, musste ich nicht lange überlegen. So eine Gelegenheit wollten wir uns auf keinen Fall entgehen lassen. Und wie ergatterten sogar Plätze in der 1. Reihe.
Voller Vorfreude verfolgte ich auf Instagram die Bekanntgabe der Tänzer und Tänzerinnen, welche an diesem Abend dabei sein würden. Meine Schwester war z.B. völlig aus dem Häuschen, als ich ihr sagte, dass Polina Semionova von der Partie sein würde, da sie ihre Karriere beinahe von Anfang an mitverfolgt hatte und nun endlich die Gelegenheit haben würde, sie live zu sehen.
Ich persönlich war relativ offen und hatte keine Tendenzen (ok, Davide Dato fand ich ziemlich gutaussehend – ist ja auch nicht unbedigt ein Nachteil für einen Tänzer). Ich freute mich in erster Linie einfach, Ballett auf richtig hohem Niveau zu sehen. wobei mein Herz schon den Klassischen Ballett gehört. Am meisten begeistern kann ich mich immer für bekannte Stücke aus den grossen, „alten“ Balletten.
Die Macher – Brodbeck & Lips
Bevor ich zur Aufführung an sich komme, noch kurz etwas zu den kreativen Köpfen hinter dieser Gala:

Sarah-Jane Brodbeck, welche als Balletttänzerin Jahre lang selbst auf nationaler und internationaler Bühne Erfolge feierte, in ihrer Freizeit mit Ballettabende organisierte und inszenierte und aktuell Tanzwissenschaften an der Universität Bern studiert, ist Mitgründerin und künstlerische Leiterin bei Brodbeck & Lips.
Katharina Lips, ebenfalls Mitgründerin und kaufmännische Geschäftsführerin bei Brockbeck & Lips, bringt durch Ihr Studium der Kunst- und Wirtschaftswissenschaften gepaart mit langjähriger Erfahrung in der Organisation von Touring-Shows wie auch für Eigenproduktionen als Projektleiterin der Showabteilung bei MAAG Music & Arts ein breites Wissen im Showbusiness mit. Als Hobby-Balletttänzerin und begeisterte Ballettbesucherin, weiss sie genau, was der Schweizer Kulturlandschaft bisher fehlte.
Vahe Martirosyan, stellvertretender künstlerischer Leiter, unterstützt die Gründerinnen im Kreativprozess und profitiert dabei von seiner langjährigen Erfahrung als Balletttänzer. (© Foto by Fridolin Speich)
„Homage to Ballet – A Night with the Stars“ ist die erste Produktion unter dem Namen Brodbeck & Lips und soll dem klassischen Ballett in der Schweiz eine Plattform schaffen, dem ballettbegeisterten Publikum jährlich genussvolle Ballettabende auf höchstem Niveau bieten, die Vielfalt des Balletts würdigen und nicht zuletzt einen Brennpunkt für internationale Ballettstars der führenden Kompanien in der Schweiz bilden.
Die Tänzer
Polina Semionova; Guest Principal Staatsballett Berlin, Iana Salenko; Erste Solotänzerin Staatsballett Berlin, Marian Walter; Kammertänzer und Guest Principal Staatsballett Berlin, Alejandro Virelles; Principal Staatsballett Berlin, Paul Marque, Étoile der Pariser Oper, Valentine Colasante; Étoile der Pariser Oper, Katja Khaniukova; First Soloist des English NationalBallet, William Bracewell; First Soloist Royal Ballet London, Davide Dato; Erster Solotänzer Wiener Staatsballett, Maria Yakovleva; Erste Solotänzerin Wiener Staatsballett, Weronika Frodyma; Solotänzerin Staatsballett Berlin, Arshak Ghalumyan; Solotänzer Staatsballett Berlin, Krasina Pavlova; Solotänzerin Staatsballett Berlin, Pamela Valim; Guest Artist, Casia Vengoechea; Guest Artist und Sarah-Jane Brodbeck; special Guest, ehem. Staatsballett Berlin und Ballett Zürich
Die Aufführung
Wo soll man hier anfangen? Ich denke, auf jedes einzelne Stück einzugehen, wäre eventuell etwas zu viel. Klassische und neoklassische Stücke gaben sich die Klinke in die Hand und zeigten im Ganzen, wie vielseitig und wunderschön Ballett sein kann und auch, was für eine grandiose Sache, diese Gala doch ist. Diese unglaublich professionellen Tänzer und Tänzerinnen von den besten Balletthäusern Europas alle an einem einzigen Abend auf der Bühne bewundern zu dürfen, war wirklich unbeschreiblich.
Natürlich hatten wir sowohl bei den Tänzern als auch bei den Stücken unsere Favoriten. Spannenderweise war es dann doch nicht Polina Semionova. Selbstverständlich war sie in den beiden von ihr getanzten, modernen Stücken („Mercy from Voices“ und „Cinque“) sehr ausdrucksstark, dennoch beeindruckten uns andere Tänzer und Stücke noch mehr. Eventuell wäre es für uns wichtig gewesen, sie auch in einem klassischen Stück zu sehen wie es z.B. bei Davide Dato vom Wiener Statsballett der Fall war.
In seinem ersten Stück „Arepo„, choreographiert von Maurice Béjart zur Musik von Huegues Les Bars, überzeugte er direkt durch seine beeindruckenden tänzerischen Fähigkeiten, sein persönliches Charisma und die für dieses Stück erforderliche intensive, fast schon gefährlich animalische Ausstrahlung. „Arepo“ war definitiv eines unserer Highlights und Davide Dato auch.
Wir freuten uns dann aber auch, ihn im klassischen „Grand Pas de Raymonda“ nach der Choreographie von Marius Petipa, welchen er mit Maria Yakovleva (ebenfalls von der Wiener Staatsoper) als Partnerin tanzte, zu sehen. Uns beeindrucken einfach Tänzer, welche beide Richtungen gleichermassen beherrschen.
Unser Lieblings-Pas de deux war aber mit Abstand der „Grand Pas Classique“ (Choreographie von Victor Gvosky Musik von Daniel Auber), getanzt von Valentine Colasante und Paul Marque, beide Étoiles der Pariser Oper. Mal abgesehen davon, dass ich immer den weiblichen Part dieses Stücks als Variation am Prix de Lausanne hatte tanzen wollen (wenn ich es dann soweit geschafft hätten), wir die Musik und Choreographie deshalb gut kannten und besonders neugierig auf die Interpretation waren, waren diese beiden Tänzer auch einfach ein Vorzeige-Paar. Wir waren völlig hingerissen von ihrer Chemie. Ganz besonders bewunderten wir Paul Marques Fähigkeit, seine Partnerin zu führen und wenn nötig, zu stützen und das mit soviel Charme, dass man kaum den Blick von ihm nehmen konnte. Sein sanftes Lächeln, welches er ihr jedes Mal schenkte, wenn sich ihre Blicke begegneten und seine Fürsorge, mit welcher er sie durchgehend behandelte, waren einfach nur wunderschön anzusehen. Genau so muss ein Paar auf der Bühne wirken. – Auch ihr zweiter Pas de deux aus Schwanensee war erstklassig, obwohl wir, wenn es ein Wunschkonzert gewesen wäre, den aus dem 3. Akt vorgezogen hätten.
Das letzte Stück, welches wir hervorheben möchten, war „Mare Crisium“ zur Musik von Karl Jenkins. Die Choreographie stammte von Arshak Ghalumyan, welcher bei „Homage to Ballet“ ebenfalls als Tänzer zu sehen war („Unreachable Places“ zusammen mit Sarah-Jane Brodbeck und „Blind Mind“, wo er sogar seine eigene Choreographie tanzte). Manchmal sind wir etwas voreingenommen, wenn Tänzer den Choreographen in sich entdecken, aber in diesem Fall war es definitiv richtig. „Mare Crisium“, war das Highlight der zweiten Hälfte und das letzte Stück des Abends. Die aussergewöhnliche Musik gepaart mit der mitreissenden, originellen Choreographie und grossartigen Tänzerinnen, setzten einen fulminanten Schlusspunkt.
Eine kleiner Kritikpunkt
Ballett ist in unseren Augen die Königsdisziplin unter allen Tanzarten und hat etwas Heiliges. Gerade bei Aufführungen, bei welchen wirklich grosse Tänzer dabei sind und Ballett auf besonders hohem Niveau gezeigt wird, möchten wir unsere Aufmerksamkeit ganz auf das Geschehen auf der Bühne richten können. Deshalb war es für uns auch etwas unverständlich, wie man zu so einer Gala kleine Kinder mitbringen konnte. Wir hatten das Pech, dass direkt hinter uns ein Mädchen im Alter von maximal drei Jahren sass, welches verständlicherweise eine relativ kurze Aufmerksamkeitsspanne hatte. Nicht nur, dass es keine auf Kinder ausgelegte Show und deshalb für sie sicher auch extrem langweilig war, war es auch schon recht spät, weshalb sie weder still sitzen noch ruhig bleiben konnte und deshalb pausenlos redete und quengelte, was doch ziemlich störend war. Hier wünsche ich mir von Eltern manchmal wirklich etwas mehr Weitblick oder dann eine Art Mindestalter.
Fazit
Mit etwas Abstand betrachtet, war der Abend wirklich atemberaubend, sehr kurzweilig und voller Höhepunkte. Und es ist manchmal auch gut eine Kritik erst etwas später zu schreiben, da man dann genau spürt, welche Stücke und Tänzer wirklich nachhaltig beeindrucken konnten. Unsere Highlight konnte ich euch mitteilen und ich bin mir sicher, dass es für jeden Zuschauer etwas dabei hatte. Der frenetische Applaus (auch Szenenapplaus während der Stücke) sprach Bände.
Wir freuen uns auf jeden Fall schon sehr auf „Homage to Ballet 2023“ und sind gespannt, was wir von Brodbeck & Lips noch hören und sehen werden. Die erste eigene Produktion war auf jeden Fall ein absoluter Volltreffer und ein Highlight in unserem Show-Kalender 2022.
















