Besuch bei den Grosseltern

Unsere Familie ist sehr klein, sie besteht eigentlich nur aus Désirée, unserer Mutter und mir. Die Verwandten väterlicherseits kennen wir nicht, was völlig ok ist, und mütterlicherseits gibt es niemanden. Unsere Grosseltern sind verstorben, als wir noch sehr klein waren. Eigentlich habe ich kaum eigene Erinnerungen an sie.

Begraben sind sie auf dem Waldfriedhof Schaffhausen. In meiner Erinnerung war das immer ein schöner Ort, hell und grün, mit einer Wiese, auf der es Maulwürfe gab. Nichts Unheimliches.

Aber irgendwann hörten wir auf, das Grab zu besuchen. Vielleicht, weil wir zu viel zu tun hatten, vielleicht, weil wir uns nicht mit der eigenen Sterblichkeit befassen wollten… Wer kann das so viele Jahre später noch nachvollziehen? Auf jeden Fall wurde der Friedhof in meiner Vorstellungszu einem unheimlichen, bedrohlichen Ort. Das Tor, durch welches man den Friedhof betritt erschien mir wie ein Tor zu einer fremden unheimlichen Welt und das Leichenschauhaus, das gleich direkt nach dem Tor links liegt, wie aus einem Horrorfilm.

Erst vergangenen Frühling beschlossen Désirée und ich auf dem Friedhof spazieren zu gehen und waren völlig überrascht, als er sich als wunderbar friedlichen, hellen Ort präsentierte. Als wir mit unserer Mutter zurück kamen, versuchten wir das Grab unserer Grosseltern zu finden, aber ohne Erfolg, was uns irgendwie beschämt und betrübt, aber der Friedhof war im Laufe dieser 30 Jahre sehr gewachsen.

Nachdem Désirée dem Friedhofregister geschrieben und nachgefragt hatte, wussten wir dann, wo das Grab lag und wollten es nun besuchen gehen. Da wieder Allerheiligen/Allerseelen bevorstand, erschien es uns sehr passend.

Wie erwartet, war das Grab völlig zugewachsen, was mir eigentlich ziemlich gefiel. ich habe ein Faible für diese Art von Rückeroberung durch die Natur. Aber ein bisschen bepflanzen wollten wir es doch. Ich hatte die Vision von lodernden Flammen um das Steinherz. Ich wollte was Modernes, das sich abhob. Selbst, wenn ich definitiv nicht glaube, dass unsere Grosseltern noch da sind, wollte ich, dass das Grab schön war. Und es gefällt mir wirklich, uns allen gefällt es.

Wir werden das nun regelmässig machen. Mir gefällt der Gedanke einfach. Und ich denke auch, dass es wichtig ist, nie aus den Augen zu verlieren, dass man nicht unsterblich ist und ebenso wenig sind es unsere Lieben. Die heutige Gesellschaft versucht den Tod so weit es geht aus dem eigenen Leben zu verdrängen. Im Hinterkopf weiss man zwar, dass es unausweichlich ist, aber damit befassen will sich eigentlich niemand. Dabei erhält das Leben so viel mehr Wert, wenn man um seine Endlichkeit weiss. Ich bin jetzt niemand, der dauernd an den Tod denkt und schon eher einfach das Leben geniesst, aber es sich hin und wieder in Erinnerung zu rufen, ist wichtig. Und mit so einem Besuch am Grab oder einem Spaziergang auf dem Friedhof geht das ganz gut.

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