Jugendstil, Symbolismus, viel Gold und viele Frauen – so könnte man ganz grob die Werke von Gustav Klimt umschreiben. Auf seiner Leinwand wurden selbst die feinsten Damen der gehobenen Wiener Gesellschaft zu sinnlichen, aber dennoch unnahbaren Göttinnen. Kein anderer Künstler konnte Frauen malen, wie Gustav Klimt es tat. Er zählt nicht umsonst zu den bekanntesten und bedeutendsten Künstlern Österreichs und steht quasi stellvertretend für die Epoche „Wien um 1900“.
Seine berühmtesten und mit Sicherheit auch nahhaltig faszinierendsten Werke malte Klimt während seiner sogenannten „Goldenen Periode“, in welcher er sehr grosszügig Blattgold verwendete. Während dieser relativ kurzen Phase schuf er seine Schlüsselwerke, die ihn quasi unsterblich machten. Eines davon, nämlich „Der Kuss“, dient als Aufhänger für eine neue immersive Geschichte in der Lichthalle Maag in Zürich, in der es auch sehr persönlich wird.
Zwei Wochen ist es her, seit die Brücke(n) von „Monets immersive Garden“ in der Lichthalle Maag abgerissen wurde und schon feierte eine neue immersive 360°-Erlebnisreise durch das Leben und die Werke eines neuen Künstlers Premiere.
Mit „Klimts Kuss – Spiel mit dem Feuer“ begeben wir uns in eine ganz neue Bilderwelt, weg vom verträumten Impressionismus, wie es bei Monet der Fall war, hin zu erotischen Skizzen und ikonenhaften Frauenportraits in Gold. Schon das Plakat bedient sich einem der bekanntesten Bilder Klimts, „Der Kuss“, und suggeriert durch dieses in eine Umarmung versunkene Paar, dass es in dieser Geschichte um weit mehr als nur die Werke Klimts geht. Die Geschichte Klimts und seiner Kunst lässt sich nämlich nicht erzählen, ohne auch auf die Frauen in Klimts Leben einzugehen. Wie kaum ein anderer war Klimt ein Bewunderer der Weiblichkeit, wobei sich Kunst und Liebe bzw. Sexualität nicht immer trennen liessen. Aber genau dieses Spiel mit dem Feuer und die Gerüchte, die sich um sein Atelier und was darin während seiner Sitzungen vor sich ging, drehten, waren Teil seines Erfolg, zumindest bei der Frauenwelt.
Die Story von „Klimts Kuss“
In dieser Geschichte, die am 1. Dezember ihre Premiere feierte, betrachtet eine Studentin in der heutigen Zeit die Bilder und Skizzen Klimts.
„…In der fiktiven Begegnung mit der Modeschöpferin Emilie Flöge (1874–1952), Klimts emanzipierter Lebensgefährtin, engster Vertrauten und Muse, begibt sich die Studentin auf Spurensuche. In einer aufwühlenden Reise zurück in das Wien um die Jahrhundertwende reflektieren die beiden Frauen Klimts Leben und Werk aus weiblicher Perspektive und diskutieren umstrittene Erfolge und bittere Skandale ebenso wie Tragödien und Liebschaften. Mehr und mehr verdichten sich Emilie Flöges Erinnerungen zum eindrücklichen Zeugnis einer aussergewöhnlichen Liebesgeschichte, die ihren Höhepunkt im berühmtesten Gemälde des Künstlers findet: «Der Kuss» zeigt Emilie Flöge zusammen mit Gustav Klimt in ewiger Umarmung….“ (https://klimts-kuss.ch/de/ausstellung/)
Eine sehr spannende Art und Weise, wie der Zuschauer hier fast schon als heimlicher Lauscher und Beobachter ins Geschehen hineingezogen wird. Erneut beweist Roman Riklin sein Können als Geschichtenerzähler und lässt uns eintauchen in eine Zeit, in der die Rolle der Frau ganz klar definiert war (das Frauenwahlrecht trat in Österreich 1918 in Kraft). Als Hausfrau, Mutter, und „Eigentum“ des Ehemannes, gab es seinerzeit kaum Möglichkeiten, für Frauen, ihr Bedürfnisse auszuleben. Klimts Frauenportraits waren für viele Männer der gehobenen Gesellschaft Statussymbole, weshalb sie gerne investierten. Für die Frauen, waren die Sitzungen bei Klimt aber oft Auszeiten, in denen sie sich einmal ganz auf sich konzentrieren und gegebenenfalls auch aus sich herauskommen und neue Seiten an sich entdecken konnten. Dass Klimt einige Affären hatte, auch mit seinen Modellen, ist belegt, ebenso dass er mit ihnen uneheliche Kinder zeugte, was auch in „Klimts Kuss“ thematisiert wird. Doch Gustav Klimt lebte ein Leben, das geprägt war von Inspiration und Schönheit und für ihn gab es nichts Schöneres und Inspirierenderes als Frauen, mit Körper und Seele. Wie eine ehemalige Geliebte berichtete, war für Klimt die offensichtliche Schönheit nur zweitrangig, wichtiger war ihm, dass er sie als Typ interessant fand, weshalb ihn Kleinigkeiten faszinieren konnten, die dann ergründet werden mussten. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie sich das für ein junge Dame um 1900 angefühlt haben muss, wenn dieser stadtbekannte Künstler sie auf der Strasse beim Vorbeigehen ansprach, um zu fragen, ob sie sich von ihm malen lassen möchte, wie es wohl bei Maria „Mizzi“ Zimmermann der Fall war.

Die Inszenierung
Erneut erweckt „Projektil“ die Kunstwerke Klimts auf Wänden, Decke, Boden Balkonen und den im Raum stehenden Würfeln zum Leben. Neben Fotos, Skizzen und Bildern, sorgen auch Videoeinspieler mit nachgestellten Szenen für viel Lebendigkeit und Abwechslung. Starke Farben, wobei die warmen Töne von Gelb bis Rot dominieren, ziehen sich durch den Abend. Wo bei Monet Blau als vorherrschende Farbe in Erinnerung bleibt, ist es hier das leuchtende Gold.
Erneut wurde auch das „Spiegelkabinett“, welches wir bei Monet so geliebt hatten, entsprechend „vergoldet“. Und aufs Neue war ich komplett gefangen in dieser Welt… Ein grandioser Bestandteil. Sollten wir irgendwann zu ganz viel Geld kommen und uns ein Haus bauen können, wird EIN Raum definitiv genau so aussehen. Es übt eine unglaubliche Faszination auf uns aus.
Etwas, das mir auch in Erinnerung blieben wird, ist definitiv das Finale… Die Art und Weise, wie „Der Kuss“ inszeniert wird, in einer Explosion aus Farben und die animierten Figuren… Das ein und so schon sehr innig wirkende Paar kriegt dadurch noch ein Extra an Intensität. Einfach wunder-wunderschön!
Als besonders wertvoll erachten wir auch die ausführlichen Infos auf dem Zeitstrahl, welcher sich auf dem Weg zum Saal befinden. Ich selbst informiere mich gerne vorab über die geschichtlichen Hintergründe.
Ebenfalls sehr spannend war der Nebenraum, in welchem man das Bild „Wasserschlangen II“ betrachten und gleichzeitig per Kopfhörer einem ASMR-Track, lauschen kann. ASMR, was die Abkürzung von „Autonomous Sensory Meridian Response“ (zu Deutsch: „unabhängige sensorische Meridianreaktion“) ist ein Trend, der seine Ursprünge im Jahr 2010 hat und sich weiterhin grosser Beliebtheit erfreut, bei dem durch bestimmte Geräusche ein entspannendes, häufig auch beruhigendes Gefühl, das sich von der Kopfhaut ausgehend auf dem ganzen Körper ausbreitet, erzeugt werden soll.
Unsere Meinung
Immersive Kunst ist noch immer etwas relativ Neues und ganz speziell auf die heutige Zeit abgestimmt. Auch wenn „Klimts Kuss“ bereits Vorgänger hatte, ist eine solche Präsentation von Kunst nach wie vor nicht „handelsüblich“. Für viele haben gerade die grossen Kunstwerke noch immer etwas Verstaubtes (ich spreche jetzt nicht für uns persönlich). Die Art und Weise, wie die Kunstwerke und die Geschichte hier aufbereitet werden, hat das Ziel, seine Besucher zu unterhalten, zu verblüffen, aber auch zu informieren. Ein stundenlanges vor einem Bild verweilen und sich seine Gedanken darüber machen und davor oder im Nachgang mühevolles Recherchieren von Infos zum Künstler, gibt es hier nicht bzw. ist nicht nötig. Hier prasseln hunderte von Eindrücken auf den Besucher ein, was unglaublich faszinierend und fast schon überwältigend ist. Und wir gehören zu den Menschen, die sich gerne verzaubern lassen und nicht zu denen, die das Haar in der Suppe suchen oder Vergleiche herstellen, die einen Verlierer zur Folge haben. Wie man hört, gibt es Menschen, die solche Inszenierungen als oberflächlich betrachten, einfach aus dem Grund, weil es von den Machern „aufbereitet“ wurde. Ich selbst würde unglaublich gerne auch ein Original von Gustav Klimt sehen, weil ich denke, dass Fotos oder Abbildungen nicht ganz alles wiedergeben können und das Blattgold in Natur wieder ganz anders wirkt, aber genau so begeistert waren wir von „Klimts Kuss“. Es ist ein Feuerwerk an Farben, Licht, Musik und Emotionen. Die Werke und das Leben dieses faszinierenden Ausnahmekünstlers, der sich über gesellschaftliche und künstlerische Grenzen hinwegsetze, werden dem Besucher auf ungeahnt intensive Weise nahe gebracht. Und man muss bereits sein, sich darauf einzulassen.
Diese Inszenierung ist ganz klar für ein breites Publikum gedacht, aber mir gefällt der Gedanke, dass ein 16jähriger Teenager, der nichts mit Kunst am Hut hat, diese Show mit einem Strahlen im Gesicht verlässt und sagt: „Hey, das war cool!“ und danach „einen Klimt“ wiedererkennt, wenn er ihn sieht. Auch so kann Wissen (wahrscheinlich sogar sehr nachhaltig) vermittelt werden.
Ein ganz klares BRAVO von uns! Prädikat: Sehenswert!









Alle Kunst ist erotisch.
Gustav Klimt






Mit einer verliebten Frau kann man alles tun, was sie will.
Gustav Klimt










Wer über mich als Künstler etwas wissen will, der soll meine Bilder aufmerksam betrachten und daraus zu erkennen suchen, was ich bin und was ich will.
Gustav Klimt


Und hier noch unser Reel zur Premiere am 1.12.2022
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